Oscar geht zur Schule - Über die Fortschritte eines ängstlichen Hundes

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#1 | Oscar geht zur Schule - Über die Fortschritte eines ängstlichen Hundes datum

02.02.2014 18:01 (zuletzt bearbeitet: 02.02.2014 18:05)

Unser Oscar ist nun genau seit 4 Wochen bei uns. Schon direkt nach seiner Ankunft zeigte sich, dass er nicht ganz so pflegeleicht ist, wie es anfangs schien.
In der letzten Pflegestelle hatte er ein festes Rudel von älteren Hunden um sich und ein riesiges, eingezäuntes Grundstück. Situationen wie "Gassi gehen und fremden Hunden begegnen" kannte er einfach nicht.
Vorher war er mal kurz zu einer Familie vermittelt, die ihn aus privaten Gründen (Trennung) dann doch wieder abgab. Und davor gab es für Oscar nur die Tötungsstation und ein überfülltes Tierheim in Spanien. Also im Prinzip alle paar Wochen eine neue Situation und immer wieder eine Umgewöhnung.
Er hat einfach Angst vor unbekannten und neuen Situationen und erst recht vor unbekannten Hunden. Er möchte ja gerne hingehen und spielen, traut sich aber nicht. Er geht einen Schritt vor, zwei zurück. Er wedelt mit dem Schwanz, stellt im nächsten Moment aber die Bürste hoch und versteckt sich hinter mir. Er jault und knurrt und bellt abwechselnd und zittert vor Aufregung dabei.
Wenn wir es geschafft haben, einem fremden Hund ohne Theater näher zu kommen, dann ist er stets sehr freundlich und eher unterwürfig.
Die wenigen Hundekumpels, die er bis jetzt hat, liebt er sehr und spielt ausdauernd ( und ausgeglichen) mit ihnen.
Warum also immer dieses Theater vorher - oder besser gefragt, wie können wir ihm dabei helfen, sich ohne Scheu anderen Hunden zuzuwenden?
Von einer Freundin wusste ich schon vorher von einer sehr guten Hundeschule in unserer Nähe. Die arbeiten dort absolut gewaltfrei und sehr erfolgreich. Sie sind leider auch recht teuer, deswegen zögerte ich anfangs. Nachdem aber schon unsere ersten Spaziergänge sehr aufregend und mit viel Herzklopfen für Zwei- und Vierbeiner endeten, war mir klar, dass wir wirklich professionelle Hilfe brauchten.
Nach einer Woche fuhren wir also zum ersten Mal dorthin und es begann für mich ganz fürchterlich. Ich fühlte mich wie die Mutter des Schulhofrüpels, der alle anderen Kinder grundlos verhaut. Wir waren relativ spät dran und da saßen jede Menge Junghunde brav neben ihren Zweibeinern, nur meiner kläffte und knurrte und tobte rum.
Da wäre ich am liebsten wieder rückwärts rausgegangen.
Die Ausbilder erkannten die Situation aber gleich und führten uns ein bisschen um die Ecke, so dass er außer Sichtweite der anderen Hunde war. Eine Frau kümmerte sich dann die ganze Stunde ausschließlich um uns , ließ sich erstmal von Oscar berichten und dann begann die Arbeit.
Das Ziel der Stunde hieß dann "den Anblick der anderen Hunde aus sicherer Entfernung ertragen". Ich glaubte anfangs nicht, dass das möglich sei, aber schon nach 15 Minuten schaute Oscar vom Rand des Geländes den anderen zu. Sobald er wieder unruhig oder ängstlich wurde, gingen wir ein paar Meter hinter eine Sichtschutzwand. So bewegten wir uns die ganze Stunde hin und her und lobten ihn fürs Stillsein. Gleichzeitig gab mir die Frau Tipps, wie wir uns beim Spazierengehen verhalten sollten. Wenn irgendwie möglich, sollten wir direkten Begegnungen ausweichen und nur von weitem fremde Hunde ansehen. Dann sollten wir uns langsam nähern, bei Knurren oder gar Bellen direkt wieder abwenden. Außerdem sollten immer Leckerli gegeben werden, wenn ein Hund in Sichtweite kam, um der Begegnung gleich einen positiven Aspekt zu verleihen.
Das war dann eigentlich schon die erste Stunde.
Da Oscar in den ersten Wochen bei uns gesundheitliche Probleme hatte, die auf Futtermittelunverträglichkeit und/oder Stress hindeuteten, riet uns die Tierärztin dann , auf die Hundeschule für ein paar Wochen zu verzichten und Oscar erstmal richtig "ankommen zu lassen".
Also probierten wir dann drei Wochen alleine, die Tipps der Hundeschule umzusetzen und hatten teilweise schöne Erfolge, jedoch bemerkte ich auch bei mir selbst immer wieder, dass ich in bestimmte Verhaltensmuster zurückfiel, die den Hund eher in seiner Angst bestärken als ihn zu ermutigen ( sofortiges Leinekurzfassen und bei Fuß schleppen, sobald ein Hund in Sichtweite kommt , beschwichtigende Worte vor mich hinbrabbeln u.a.)
Heute war es dann nun wieder an der Zeit für die Hundeschule und ich würde hier gerne jede Woche kurz von unseren Fortschritten berichten.

Zweite Stunde:
Heute habe ich darauf geachtet, dass wir früh genug in der Hundeschule waren, so dass wir als erstes aufs Gelände konnten. Oscar schnupperte interessiert herum und nahm gleich Kontakt zur Ausbilderin auf, die er noch vom letzten Mal kannte. Wir bekamen wieder den Platz an der Sichtschutzwand zugewiesen und übten im Prinzip das Gleiche wie beim ersten Mal. Schauen, wie die anderen Hunde kommen, wenn er es gut aushält loben, bei Angstanzeichen sofort hinter die Wand. Das klappte wesentlich besser und die Zeiten VOR der Wand wurden immer länger.
Dazwischen übten wir genauso wie die anderen Hundebesitzer, ein Markerwort als Verstärker/Belohnung einzusetzen. Es gibt in der Trainingsstunde zwei Spielpausen, die Oscar mit einer anderen ängstlichen Hündin zusammen verbrachte. Die beiden fanden (ohne Leine) schnell zueinander und spielten harmonisch miteinander. Dabei waren beide nicht in Sichtweite der anderen Hunde.
Sobald wir aber wieder auf dem großen Gelände mit den anderen Hunden waren, verhielt sich Oscar wieder wie zuvor, neugierig und ängstlich zugleich.
Insgesamt verlief diese Trainingsstunde aber viel ruhiger und ohne eine einzige wirklich unangenehme Situation.

Heute Nachmittag trafen wir beim Spazierengehen auf einen großen Schäferhund, der neben seinem Frauchen sitzen musste, bis wir vorbei waren. Ich lenkte Oscar mit Leckerchen ab und lobte ihn und so kamen wir tatsächlich gut aneinander vorbei, bis der andere Hund einen Satz nach vorne machte und sein Frauchen mitzog. Es passierte gar nichts, außer dass die beiden Rüden schnupperten und wedelten. Sie entschuldigte sich wortreich und beklagte, dass sie immer das Problem hätte, dass ihr Hund andere anbellt und Theater macht. Das tat mir irgendwie gut
Das war das erste Mal, dass nicht ich diejenige war, die sich entschuldigte

Nächste Woche werde ich wieder berichten.

Liebe Grüße von Claudia